So behandele ich Patienten, die eine DMARD-Therapie benötigen und eine MGUS haben
This is how I treat patients who need DMARD treatment and have MGUS
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In der rheumatologischen Routinediagnostik erfolgt häufig eine Serumelektrophorese, in der sich in einer mit dem Alter zunehmenden Wahrscheinlichkeit eine monoklonale Gammopathie nachweisen lässt. Damit sehen sich auch praktisch tätige Rheumatolog*innen regelmäßig mit der Frage konfrontiert, wie der Nachweis dieser monoklonalen Immunglobuline zu werten ist und wie er sich auf die rheumatologische Basistherapie auswirken könnte. Relevant ist dieser Befund deshalb, weil hier zwischen nicht behandlungsbedürftigen monoklonalen Gammopathien unklarer Signifikanz (MGUS) und prognostisch relevanten malignen Lymphomen (z. B. Morbus Waldenström [MW]) bzw. dem multiplen Myelom (MM) differenziert werden muss.
Die MGUS definiert sich nach der internationalen Myeloma working group (IMWG) als Nachweis monoklonaler Gammaglobuline, auch bekannt als M‑Protein oder Paraproteine (Abb. 1) mit einer Konzentration kleiner als 30 g/l, einer Plasmazellinfiltration des Knochenmarks < 10 % und Fehlen von Endorganschäden (CRAB-Kriterien: Tab. 1; [[1]]). Beim MM finden sich dagegen in der Regel M‑Gradienten von über 30 g/l und Knochenmarkinfiltrationen durch Plasmazellen von über 10 %, was je nach Stadium und Aggressivität der Erkrankung mit den oben genannten CRAB-Kriterien vergesellschaftet sein kann [[1]].
Graph: Abb. 1Typischer Befund eines M‑Gradienten bei MM in der Elektrophorese
Tab. 1 Empfehlungen zum Management der MGUS aus rheumatologischer Sicht
Low-Risk MGUS | High-Risk MGUS |
IgG-MGUS | Nicht-IgG-MGUS |
Normaler Leichtketten-Quotient | Pathologischer Leichtketten-Quotient |
M‑Gradient (< 15 g/l) | M‑Gradient > 15 g/l (IgG) |
SLiM-CRAB-Kriterien |
S(ixty): Plasmazellanteil > 60 % |
Li(ght Chain): Leichtketten-Quotient > 100 |
MRT: > 1 Läsion > 0,5 cm messende nichtosteolytische Läsion im MRT |
CRAB-Kriterien: |
C: Hypercalzämie > 2,75 mmol/l |
R: Renale Insuffizienz: Kreatinin > 2 mg/dl/GFR < 40 ml/min |
A: Anämie: Hämoglobin < 10 g/dl |
B: Nachweis einer Osteolyse (Bone) |
Verlaufskontrolle: |
Low-Risk | Bei Vorliegen eines Risikofaktors für High-Risk: |
Bei Erstdiagnose nach 6 Monaten | Bei Erstdiagnose nach 6 Monaten |
Danach nur bei Klinik | Danach 1‑mal jährlich |
Ggf. Vorstellung beim Hämatologen |
Fachärztliche hämatoonkologische Vorstellung: |
Bei Diagnose oder dringendem Verdacht auf Vorliegen eines MM oder Lymphoms |
Ggf. bei Risikofaktoren zur weiteren Diagnostik: KMP und Bildgebung |
MGUS monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz, MM Multiples Myelom, KMP Knochenmarkpunktion
Insgesamt ist das Risiko eines Übergangs von einer MGUS in ein MM bzw. MW eher gering und liegt bei fehlenden Risikofaktoren bei ca. 1–1,5 % pro Jahr [[1]]. Als Risikofaktoren hierfür haben sich insbesondere M‑Gradienten über 15 g/l, pathologische Quotienten der Leichtketten und Nicht-IgG-MGUS gezeigt [[1]]. Bei Vorliegen aller dieser 3 Risikofaktoren liegt das Risiko für eine Transformation oder AL-Amyloidose bei 50 % innerhalb von 20 Jahren [[1]].
Bei jeder Erstdiagnose eines MGUS führen wir neben Anamnese und körperlicher Untersuchung ein Blutbild einschließlich Differenzialblutbild, Elektrolyt- und Nierenwertbestimmungen sowie Bestimmung von Gesamteiweiß und Albumin im Serum durch [[1]]. Zudem erfolgen eine Serumimmunfixation zur quantitativen Messung der Immunglobuline (IgG, IgA, IgM, ggf. IgD), eine quantitative Bestimmung der freien κ‑ und λ‑Leichtketten im Serum inklusive Berechnung deren Quotienten sowie der qualitative Test auf Eiweiß im 24-h-Sammelurin mit Eiweißdifferenzierung [[1]]. Ziel hierbei ist, ein Hochrisiko-MGUS bzw. ein manifestes MM zu identifizieren. Falls sich die Diagnose MM bestätigt, muss das Vorliegen der CRAB-Kriterien oder der neueren SLiM-CRAB-Kriterien (Tab. 1) überprüft werden, da diese die Indikationen für die Therapieeinleitung bei MM darstellen [[1]]. Findet sich lediglich ein IgG-M-Gradient < 15 g/l bzw. IgA-M-Gradient < 10 g/l, würden wir nach der European Myeloma Network(EMN)-Leitlinie auf eine Knochenmarkpunktion (KMP) und bei fehlenden skelettbezogenen Symptomen auch auf eine Bildgebung verzichten [[2]]. Bei allen anderen auffälligen Befunden führen wir eine KMP und eine Schnittbildgebung, z. B. MRT, durch [[1]]. Bei IgM-Paraproteinämie, welche sich eher bei Lymphomen findet, erfolgt zur Abklärung neben einer KMP die Suche nach einer pathologischen Lymphadenopathie z. B. mittels Sonographie [[1]]. Bei Diagnose eines Lymphoms oder eines MM sollten Patient*innen einer Hämatolog*in zur weiteren Therapie zugeführt werden. In den anderen Fällen empfiehlt sich, die Basisdiagnostik (ohne KMP und Schnittbildgebung) nach 6 Monaten zu wiederholen [[2]]. Weiterführende Kontrollen sind dann nur bei Hochrisiko-MGUS alle 12 Monate notwendig [[2]].
Die MGUS benötigt keine Therapie [[1]]. Ziel sollte jedoch sein, das Progressionsrisiko in ein MM/MW nach Möglichkeit nicht zu erhöhen. Die Datenlage zum Einsatz von DMARDs bei bekannter MGUS ist begrenzt: Aufgrund des Wirkmechanismus und der Erfahrungen beim MM können Rituximab (Phase-II-Studien und zahlreiche Fallserien) und Tocilizumab (Fallberichte) wahrscheinlich unbedenklich weitergegeben werden [[1], [4]]. Anakinra ist ebenfalls als unbedenklich bezüglich des MGUS-Progressionsrisikos einzuschätzen unter Berücksichtigung der Daten beim Schnitzler-Syndrom (multizentrische Studie) [[6]]. Trotz einiger gegenteiliger Fallberichte scheinen TNF-α-Hemmer in größeren Studien ebenfalls kein Risiko für die Entwicklung oder Progresses eines MGUS darzustellen (unkontrollierte Kohortenstudie) [[7]]. Unter Abatacept wurde in einer Registerstudie (n = 38) kein Progress der MGUS beobachtet, jedoch würden wir auf Basis des Wirkmechanismus und der allgemeinen Krebsregisterdaten zur generellen Malignominzidenz Abatacept bei gegebenen Alternativen eher zurückhaltend einsetzen [[8]]. Bei den csDMARDs würden wir Azathioprin zurückhaltend bei geeigneten Ersatzsubstanzen einsetzen, da es in Krebsregistern zwar widersprüchliche Daten gibt, jedoch in einigen Registern eine Häufung von lymphoproliferativen Erkrankungen beschrieben ist [[9]]. Für JAK-Inhibitoren (JAKi) schreibt die EMA auf Basis der Oral Surveillance-Studie vor, dass JAKi bei Patient*innen, die rauchen oder ein erhöhtes Risiko für Malignome haben, nur eingesetzt werden sollten, wenn keine geeigneten Alternativen vorhanden sind [[9]–[11]]. Da es sich bei der MGUS um eine Präkanzerose handelt, würden wir auch hier bei gegebenen Alternativen eher von einer Therapie mit JAKi absehen.
Insgesamt halten wir es für unwahrscheinlich, dass sich die Medikamente der Rheumatologie relevant auf das Progressionsrisiko eines MGUS auswirken. Dagegen muss unkontrollierte Entzündungsaktivität in diesem Zusammenhang als ungünstig bewertet werden, da das Risiko für lymphatische Neoplasien bekanntermaßen bei chronischer Entzündung erhöht ist [[12]]. Somit hat die konsequente Entzündungskontrolle aus unserer Sicht eine höhere Priorität als die Überlegung, ob das ein oder andere Basistherapeutikum mit einem wenig besseren oder schlechteren Progressionsrisiko vergesellschaftet ist.
Fazit für die Praxis
- Das Risiko eines Übergangs von einem MGUS in ein MM ist bei fehlenden Risikofaktoren eher gering und liegt bei ca. 1–1,5 % pro Jahr.
- M‑Gradienten über 15 g/l, pathologische Quotienten der Leichtketten und Nicht-IgG-MGUS weisen ein höheres Risiko für den Übergang in ein MM auf.
- Direkte Untersuchungen zum Progressionsrisiko eines MGUS in ein MM unter DMARDs liegen nicht vor.
- Aus unserer Sicht können die meisten bDMARDs und csDMARDs bedenkenlos weitergegeben werden. Bei JAKi sollte die Therapieumstellung analog den Empfehlungen der EMA geprüft werden. Falls keine Umstellung sinnvoll ist, sollte die Patient*in hierüber gut aufgeklärt werden und die Therapiefortsetzung in Sinne einer „shared decision" erfolgen.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
M. Schmalzing gibt folgende Interessenkonflikte an: Berater-/Gutachtertätigkeit: Chugai/Roche, Hexal/Sandoz, Gilead, AbbVie, Janssen-Cilag, Boehringer/Ingelheim, onkowissen.de, EUSA-Pharma, Novartis, AstraZeneca, Amgen, medac, Lilly, Galapagos, UCB; Vortrags-/Schulungstätigkeit: BMS, Novartis, AbbVie, AstraZeneca, Chugai/Roche, Janssen-Cilag, Gilead, Boehringer/Ingelheim, Mylan, onkowissen.de, Galapagos, EUSA-Pharma; Kongresse: Chugai/Roche, Boehringer/Ingelheim, Celgene, Medac, UCB, Mylan, Galapagos; Forschung: Chugai. P.-P. Strunz gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
[
Literatur
1
Schmalzing M, Tony HP, Knop S. Monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz und multiples Myelom. Z Rheumatol. 2017; 76; Suppl 2: 33-37. 1:STN:280:DC%2BC1MvgsVWjsA%3D%3D. 10.1007/s00393-017-0335-z. 29330758
2
Scheid C, Driessen C, Knop ST, Krauth MT et al (2021) Onkopedia. https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/monoklonale-gammopathie-unklarer-signifikanz. Zugegriffen: 3. Apr. 2023
3
Van de Donk NW, Palumbo A, Johnsen HE. The clinical relevance and management of monoclonal gammopathy of undetermined significance and related disorders: recommendations from the European Myeloma Network. Haematologica. 2014; 99: 984-996. 1:CAS:528:DC%2BC2cXhvFKhu7%2FF. 10.3324/haematol.2013.100552. 24658815. 4040895
4
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5
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9
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Ytterberg SR, Bhatt DL, Mikuls TR, Koch GG, Fleischmann R, Rivas JL. Cardiovascular and cancer risk with Tofacitinib in rheumatoid arthritis. N Engl J Med. 2022; 386; 4: 316-326. 1:CAS:528:DC%2BB38XisFSlu7c%3D. 10.1056/NEJMoa2109927. 35081280
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Grivennikov SI, Greten FR, Karin M. Immunity, inflammation, and cancer. Cell. 2010; 140; 6: 883-899. 1:CAS:528:DC%2BC3cXlsVSgu7g%3D. 10.1016/j.cell.2010.01.025. 20303878. 2866629
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By Patrick-Pascal Strunz and Marc Schmalzing
Reported by Author; Author