Analyse des Managements von Patienten mit primärer Nephroblastomatose anhand Daten der Therapieoptimierungsstudien SIOP 93-01/GPOH und SIOP 2001/GPOH
2021
Hochschulschrift
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Hintergrund: Bei der Nephroblastomatose (NBL) handelt es sich um eine seltene fakultative Prä-kanzerose im Kindesalter, die sich nur sehr selten klinisch manifestiert. Noch immer ist es unzureichend geklärt, welche Faktoren bei der Transformation zu einem Wilms Tumor (WT) entscheidend sind und wie eine NBL behandelt werden sollte. Die aktuellen Therapieempfehlungen existieren seit Beginn der Therapieoptimierungsstudie SIOP/GPOH 2001 und sind somit seit fast zwei Jahrzehnten gültig. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, das Management von Patienten mit primärer NBL anhand neuerer Daten, insbesondere in Hinblick auf die Rolle von diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, zu reevaluieren und Risikofaktoren für Progresse zu identifizieren. Methoden: Eingeschlossen und über median 8,3 (IQR 3,8 – 12,9) Jahre nachbeobachtet wurden n = 78 Patienten mit klinisch manifester primärer NBL, die im Rahmen der multizentrischen Therapie-optimierungs¬studien SIOP 93-01/GPOH sowie SIOP 2001/GPOH zwischen 1994 und 2013 in Deutschland registriert wurden. Vollständige Daten zum gesamten Therapieverlauf liegen bei 72 Patienten vor. Der Nachweis eines WTs vor Behandlungsbeginn war dagegen ein Ausschlusskriterium. Neben der Erfassung von demographischen Daten und Tumorcharakteristika, wurde der Outcome der Patienten mittels Kaplan-Meier-Methode anhand der primären Endpunkte Progress und Entwicklung eines WT analysiert. Ergebnisse: Das mediane Alter der Patienten bei Erstdiagnose einer NBL betrug 13,1 (IQR 8,1 - 24) Monate. Mädchen waren mit 60,0 % (n = 47) häufiger betroffen als Jungen. Ein bilateraler Befall wurde bei 56,5 % (n = 43) beobachtet, während Syndrome bei 47,1 % der Patienten (n = 33) vorlagen. Patienten mit diffuser Manifestation (40,8 %; n = 31) waren signifikant jünger (11,8 vs. 22,5 Monate, p = .02) und häufiger weiblich (77,4 % vs. 22,6 %; p = .009). Eine höhere Sensitivität zur Erfassung einer NBL mittels alleiniger bildgebender Diagnostik wurde bei bilateralem Befall (74,4 % vs. 20,0 %; p < .001), diffuser Manifestation (83,9 % vs. 28,6 %; p < .001) und durch eine referenzradiologische Mit¬beurteilung (62,0 % vs. 30,0 %; p = .038) erreicht. Eine primäre Chemotherapie mit (68,5 %; n = 37) oder ohne abschließende Operation (31,5; n = 17) erfolgte bei 31,5 % (n = 54) aller Patienten über einen medianen Zeitraum von 31,5 (IQR 5,4 – 59,9) Wochen. Eine primäre Operation wurde in 17,6 % (n = 31) der Fälle durchgeführt (46,2 % komplette Tumornephrektomie), während 9,5 % (n = 7) der Patienten primär beobachtet wurden. Bei 40,3 % (n = 29/72) der Patienten kam es im Median 5,7 (IQR 1,5 – 11,3) Monate nach Erstdiagnose zu einem Progress, ein Patient verstarb während der Erstlinientherapie und bei 27,8 % (n = 20/72) kam es zur Entwicklung eines WT. Das progressionsfreie Überleben (sowohl für NBL als auch WT) betrug nach fünf Jahren 60 ± 6 % und nach 10 Jahren 55 ± 6,4 %. Die Gesamtüberlebensrate betrug 95 ± 2,7 % über fünf Jahre und 93 ± 3,4 % über zehn Jahre. Das Risiko für die Entwicklung von Progressen war in Abhängigkeit der Behandlungs-strategie signifikant unterschiedlich: Patienten, die primärer beobachtet wurden (Watch and Wait), hatten ein höheres Risiko als Patienten mit primärer Chemotherapie (HR 3,16 (95 % CI 1,18 - 8,48); p = .022) und diese wiederum ein höheres Risiko als Patienten mit einer primären Operation (HR 11,80 (95 % CI 1,37 – 101,91); p = .025). Als weitere Risikofaktoren wurden identifiziert: weibli¬ches Geschlecht (p = .003 für die Entstehung von Progressen und p = .026 für die Transformation zum WT), eine diffuse Tumormanifestation (Progress: p = .001; WT: p = .008) und ein inadäquates Therapie¬ansprechen im ersten Restaging (Progress: p = .011). . Schlussfolgerungen: In der Diagnose und der Therapie der NBL haben sich eine referenzradiologische Beurteilung und der Einsatz einer Operation bewährt. Eine vorherige Chemotherapie kann eine Tumor¬volumenreduktion erreichen und dadurch nierenschonende Operationstechniken ermöglichen, die insbesondere bei beidseitiger Lokalisation und bei diffuser Tumormanifestation indiziert sind. Obwohl die Prognose von Patienten mit primärer NBL sehr gut ist, sollte insbesondere bei Vorliegen der genannten Risikofaktoren, besonderes Augenmerk auf eine sorgfältige Nachbetreuung gerichtet werden. Aufgrund des langen Zeitraums nach Erstdiagnose in dem Progresse und Transformationen zu WTs auftreten können, sollte die Nachbetreuung länger als die in den aktuellen SIOP-Therapieoptimierungs-studien empfohlenen ersten sechs Lebensjahre andauern.
Titel: |
Analyse des Managements von Patienten mit primärer Nephroblastomatose anhand Daten der Therapieoptimierungsstudien SIOP 93-01/GPOH und SIOP 2001/GPOH
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Autor/in / Beteiligte Person: | Müller, Marina |
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Veröffentlichung: | 2021 |
Medientyp: | Hochschulschrift |
DOI: | 10.22028/D291-34681 |
Sonstiges: |
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