Wie können selbstständige Kaufleute ihren rasanten Umsatzanstieg aus dem Corona-Jahr 2020 halten? Mit dieser Frage hat sich der Verband der Mittelständischen Lebensmittel-Filialbetriebe (MLF) diese Woche im westfälischen Bad Oeynhausen befasst.
Mark Rosenkranz sprach aus, was die rund 350 Besucher der 163. MLF-Tagung bewegte. „Wie gelingt es uns, den hohen Durchschnittsbon in Super- und Verbrauchermärkten dauerhaft zu halten?", fragte der Geschäftsführer der Edeka-Regionalgesellschaft Minden-Hannover die Vertreter von Kaufmannschaft und Industrie. Wie die ganze Branche hatte die Edeka-Regionalgesellschaft Minden-Hannover ihren Umsatz im Corona-Jahr 2020 kräftig gesteigert, von 9,8 auf 10,6 Mrd. Euro. Aber wie dafür sorgen, dass das Geld nicht zurück in Gastronomie und Discount fließt?
„Zuallererst muss sich der Vollsortimenter Preiswürdigkeit hinter die Löffel schreiben", sagte Rosenkranz. Wichtig seien außerdem Nachhaltigkeit („Das haben wir schon immer gemacht"), Digitalisierung („Da haben wir uns in den letzten Jahren schwergetan") und Sortimentstiefe. Wenn das alles erfüllt sei, seien Bedienungskompetenz, Genuss und Gastronomie die Königsdisziplinen, mit denen sich die Selbstständigen am deutlichsten vom Discount absetzen könnten.
Als positives Beispiel für die Gastronomie nannte Rosenkranz das Café Novecento des Gastgebers Karl Stefan Preuß. „Das ist unverwechselbar und ein Garant für Profit durch Profil", lobte Rosenkranz. Preuß hatte im vergangenen Jahr in seinen 22 WEZ-Märkten in Westfalen und Niedersachsen mit rund 1500 Mitarbeitern etwa 265 Mio. Euro umgesetzt.
„Neue Chancen zwischen Profil und Profit" lautete der Titel der Tagung. Und wie Rosenkranz betonte auch dessen oberster Chef Markus Mosa: „Erst kommt das Profil, dann der Profit." Doch dann thematisierte der Vorstandsvorsitzende von Edeka doch eher finanzielle Fragen. „Die Industrie fordert unberechtigte Preiserhöhungen", sagte er mit Blick auf die beginnenden Jahresgespräche. „Darüber werden wir hart diskutieren." Schließlich müssten die Selbstständigen sicherstellen, dass Preiserhöhungen nicht die Renaissance der Discounter beflügelten. „Fachmärkte und Discounter haben uns in der Vergangenheit Kunden weggenommen. Jetzt haben wir sie zurückgewonnen und sind wild entschlossen, sie zu halten."
Als Vertreter der Industrie machte Albert Christmann, geschäftsführender Gesellschafter von Dr. Oetker, ganz andere, gemeinsame Feinde aus: Weltkonzerne wie Amazon oder Nestlé. „Der Schlüssel zur gemeinsamen Wertschöpfung besteht im gegenseitigen Datenaustausch", schlug er vor. „Nur so werden wir im Spiel gegen die ganz großen Wettbewerber bestehen."
Zumindest die globalen Onlinehändler sah auch Gastgeber Preuß als Bedrohung. Er verteidigte das Engagement von Edeka beim Online-Lieferdienst Picnic gegen Kritik von seinem Kaufmanns-Kollegen Dieter Hieber. „Picnic ist Umsatz, von dem wir nichts haben", monierte Hieber. „Wir müssen auf dieser Welle reiten, sonst macht es ein anderer", entgegnete Preuß.
„Kaufleute denken in Generationen, weil sie ihre Märkte an ihre Kinder übertragen wollen", hatte Mosa in seiner Rede gesagt. Doch welche Welt werden diese Kinder in 30 Jahren vorfinden? Das thematisierte Prof. Hans Joachim Schellnhuber, Gründer des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. „Wenn wir weiter so produzieren und konsumieren wie bisher, zerstören wir die Grundlage der Nahrungsmittelproduktion", warnte der Klimaforscher.
Schellnhuber bekräftigte das Ziel, die globale Erwärmung auf maximal 2 Grad Celsius zu beschränken – und zeigte einen Weg dorthin auf. „Die gebaute Umwelt aus Häusern und Straßen ist verantwortlich für 40 Prozent der Treibhausgase", betonte der Professor. Er plädierte für Holzbauten als Kohlenstoffspeicher – etwa so wie die Green Buildings von Rewe. „Wir müssen uns beeilen", warnte Schellnhuber. „Aber wir können uns tatsächlich noch aus der Klimakrise herausbauen."
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PHOTO (COLOR): Versammelte Prominenz: Edeka-Minden-Chef Mark Rosenkranz, Gastgeber Karl Stefan Preuß, Edeka-Vorstandsvorsitzender Markus Mosa, Oetker-Geschäftsführer Dr. Albert Christmann, MLF-Präsident Friedhelm Dorn- seifer und MLF-Geschäftsführer Michael Gerling haben den Kaufleuten viel zu sagen. Fotos: Reinhard Rosendahl Festlicher Rahmen: Im Theatersaal des Kurparks von Bad Oeynhausen lauschen Vertreter aus Handel und Industrie den Vorträgen. Künstlerische Einlage: Am Abend bekommen die Besucher ein hochkarätiges Varieté-Programm zu sehen. Weibliche Präsenz: Rita Dornseifer (Rewe, v.l.), Petra Schumann (Ex-Konsum Leipzig) und Anne Grieser (Lukas) mit Jürgen Berens von Rautenfeld (Online Software). Sportliche Note: Manuela Görlitz (Lindt) lacht mit Ex-Boxer Axel Schulz (M.) und Carsten Büld (Müller's Hausmacher Wurst). Fröhliche Reweaner: Verena Aupperle tauscht sich mit Hans Löbbert, Fritz Aupperle und Lutz Richrath aus (v.l.). Kompetenter Klimaschützer: Prof. Hans Joachim Schellnhuber gibt Rat. Motivierter Nachwuchs: die Edekaner Felix Kels (l.) und Johannes Wehrmann.
By Mathias Himberg
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