Corona, steigende Kosten, sinkende Erträge: Der Handel ist unter Druck. Am meisten beschäftigt die Branche jedoch das Thema Personal. Zumindest ist das der Tenor auf der 165. Tagung der Kaufleute-Vereinigung MLF.
Der Wind hat sich gedreht, die Stimmung ist gekippt: Nach zwei Jahren Corona-Sonderkonjunktur kämpft der selbstständige Einzelhandel aktuell mit einem ganzen Bündel an Herausforderungen. Die hohe Inflation treibt die Kunden verstärkt zu den Discountern. Im Vollsortiment schmelzen derweil die Erträge, teils auch die Umsätze. Hinzu kommen zunehmende Personalengpässe, die nicht nur an den Bedientheken bereits zu eingeschränkten Öffnungszeiten führen. Das alles beschäftigt auch die 400 Teilnehmer der 165. Arbeitstagung der mittelständischen Lebensmittel-Filialbetriebe (MLF), die sich in dieser Woche unter dem Motto „der Mensch im Mittelpunkt" bei Edeka Niemerszein in Hamburg trafen.
MLF-Vorstandschef Friedhelm Dornseifer forderte die Bundesregierung auf, „schnell Lösungen" für die Kostenexplosionen bei Strom und Gas zu finden. Die bisherigen Maßnahmen der Regierung wie das jüngste Entlastungspaket kritisierte er als „unzureichend", insbesondere für mittelständische Unternehmen. Ohnehin: „Bundeskanzler Olaf Scholz lässt einen klaren Kurs vermissen", konstatierte Dornseifer.
Am meisten belastet jedoch die Personalsituation, erklärte nicht nur Dornseifer. Dem Handel fehlen Mitarbeiter – und sie werden teurer. Dabei ist das Gehalt nur ein Faktor, um gutes Personal zu gewinnen. Fritz-Kola-Geschäftsführer Winfried Rübesam erklärte, wie sein Unternehmen Mitarbeiter zu Fans macht. Er betonte: Man müsse mit Leidenschaft führen, dabei Teamgeist entfachen.
TV-Moderator und Unternehmer Joko Winterscheidt ergänzte, es gehe darum, „eine Sinnhaftigkeit" im Job zu finden. Startups wie Persomatch und Talk ‚n' Job zeigten neue Wege, Stellenangebote zu schalten und Bewerber anzusprechen. Die Firma X-Poli präsentierte, wie sich mit digitalen Tools der Personaleinsatz im Markt optimieren lässt.
Die Gastgeberfamilie Niemerszein betonte: „Bei uns ist der Mensch ein Erfolgsfaktor." Das Unternehmen ist in den vergangenen Jahren kräftig gewachsen, hat inzwischen 500 Beschäftigte, neun Märkte und im vergangenen Jahr einen Umsatz von 112,5 Mio. Euro erzielt. Für das laufende Jahr 2022 rechnet die Familie allerdings schon jetzt mit rund 4 Mio. Euro weniger. Das verdeutlicht: Die Zeiten sind hart.
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Bundeskanzler Olaf Scholz lässt einen klaren Kurs vermissen. Friedhelm Dornseifer, MLF-Vorstandsvorsitzender
PHOTO (COLOR): Anerkennung: Karl-Stefan Preuß (l.) will am liebsten heute statt morgen auch Niemerszein-Kunde werden. Fotos: Reinhard Rosendahl Große Bühne: Andrea Wiem, geb. Niemerszein, erzählt aus den Anfängen, rechts ihr Mann Volker sowie Geschäftsführer Frank Ebrecht. Treffpunkt Pralinen: Jakob Wehrmann von Edeka Wehrmann und Ute Dondorf, Leiterin der Lindt-Shops Deutschland. Edeka-Nachwuchs: Aus dem Südwesten Maximilian Kohler (l.) von Edeka Kohler und Hauke Clausen aus dem Norden. Schokounternehmer: Joko Winterscheidt.
By Heidrun Krost and Werner Tewes
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