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Fleisch kein Exportschlager mehr: Italien geht es bei seinen Produkten nicht um Masse, sondern um gute Qualität.

Claudia, Müller Stefanie
In: Fleischwirtschaft, 2023-06-15, Heft 6, S. 56-58
Online serialPeriodical

Fleisch kein Exportschlager mehr: Italien geht es bei seinen Produkten nicht um Masse, sondern um gute Qualität 

Von Stefanie Claudia Müller Das Land erstickt in Bürokratie und Unordnung, aber beim Bioanbau und in der lokalen Wirtschaft sind die Italiener in der EU inzwischen führend. Nur im Bereich Fleisch können die Italiener trotzdem nicht mehr mithalten.

Die Spanier und die Italiener haben viel gemeinsam. Dazu gehört, dass sie auf vieles verzichten können, nur nicht auf gutes Essen. Eine Umfrage des italienischen Meinungsforschungsinstituts Ismea ergab, dass nur 2% der Befragten bereit sind, bei Lebensmitteln zu sparen. Ismea sammelt und verarbeitet jedes Jahr drei Millionen Daten über den italienischen Agrar- und Lebensmittelsektor, der im vergangenen Jahr national mehr als 100 Mrd. € umsetzte, ein Plus von 6% im Vergleich zu 2021. Im Export von landwirtschaftlichen Produkten wurden 2022 rund 60 Mrd. € von italienischen Herstellern eingenommen, ein Plus von fast 15% gegenüber dem Vorjahr. Internationale Erfolgsschlager sind weiterhin Pasta, Olivenöl und Käse – Fleisch dagegen immer weniger. Während die spanischen Schweinezüchter verhalten über die Rekordumsätze beim Export in 2022 jubeln, beschweren sich die Bauern in Italien. Die Preise für Rindfleisch und Milchprodukte sind zwar relativ gut, aber die Margen werden durch die steigenden Kosten für Futtermittel und Energie enorm gedrückt. Der italienische Geflügelfleischmarkt befindet sich in einer besonders schwierigen Situation. Italien kann bei Preisen und Produktionsvolumen nicht mehr mithalten. Nach einer Studie des spanischen Fleischverbandes Interporc hat der Nachbar im Jahr 2022 rund 216000 t Schweineprodukte aus Spanien eingekauft.

Italien setzt auf traditionelle Produkte

Dafür ist das Land nach Österreich beim prozentualen Bioanbau-Anteil an der Gesamtfläche mit 17% führend in der EU (Studie Interporc, Stand 2022). Laut Giusti vom Gnadenhof „Il Seme di Gaia" in der Nähe von Florenz hat es zwar lange gedauert, aber Italien hat gelernt, dass es zur lokalen und ökologischen Landwirtschaft zurückkehren muss, wollen sich die Bewohner gesund ernähren. Es geht nicht um Masse, sondern um Qualität. Der ehemalige Immobilienmakler ist froh, dass Italien bei der landwirtschaftlichen Produktion einen anderen Weg geht als Spanien. Auch wenn Fleisch in den Restaurants in Florenz, Parma und Bologna regelrecht zur Schau gestellt wird, ist intensive und industrielle Massentierhaltung in Italien nicht gut angesehen, aber auch die wachsende Industrie um Ersatzprodukte ist mit Misstrauen behaftet. 84% der Italiener wehren sich laut einer Umfrage des Bauernverbands Coldiretti gegen künstlich hergestelltes Fleisch, Milch oder Käse.

Der Ernährungsexperte Michele Crippa von der Rome Business School glaubt, dass die Italiener gerade zu einer wirklich mediterranen Ernährung zurückfinden. In den kommenden fünf Jahren rechnet er damit, dass der Konsum von rotem Fleisch zurückgehen, während der Kauf von Fisch, Obst und Gemüse zweistellig zunehmen wird. Gegessen wird schon jetzt mehr Rind- als Schweinefleisch. Die Italiener lieben ihr Steak auf dem Teller, an vielen Orten wie in der Toskana sogar mehr als Pizza und Pasta. Lokale Metzgereien sind dort als Einkaufsort besonders beliebt. Die Produkte werden ohne Scham kunstvoll in den Restaurants und Schaufenstern ausgestellt. Günstig sind Wurst und Schinken in Italien allerdings nicht. Rindfleisch ist mit einem Verbraucherpreis von durchschnittlich 16 € pro kg (Stand 1. Quartal 2023) nach Angaben von Global Product Prices teurer als in Spanien, aber mehr als ein Drittel günstiger als in Deutschland.

Lokale Küche mit regionalen Lebensmitteln

In der bedeutendsten italienischen Supermarktkette Coop finden sich zwar einige Ersatzprodukte für Fleisch, aber es wird beim Durchgang durch die Hypermärkte in Florenz deutlich, dass die italienische Küche ohne Käse und Sahne nicht auskommt. Und laut Daten der Lobbyverbände Censis for Unaitalia und Assica wird Fleisch auch zukünftig ein wichtiger Teil einer guten mediterranen Ernährung sein. Von Meran bis Palermo pflegen die Italiener vor allem die Qualität ihrer eigenen lokalen Küche, der dortigen Produkte und die Kunst des Selbstkochens. Die Spanier haben sich wiederum extrem auf den Export und das Marketing ihrer Fleischprodukte konzentriert. Während in Spanien der Tierbestand stark gewachsen ist, blieb er in Italien über die vergangenen zehn Jahre weitgehend konstant. Das Land liegt in der EU nur noch an siebter Stelle der Produzenten und hat im vergangenen Jahr nur 0,27 Mio. t Schweinefleisch exportiert. Weltweit standen die Italiener im vergangenen Jahr mit 1,27 Mio. t an 16. Stelle im Produktionsranking. China, USA und Spanien geben inzwischen weltweit den Ton an.

Italienische Verbraucher immer misstrauischer

Während in Spanien noch nicht klar ist, ob 2022 der Zenit bei der Produktion erreicht wurde, rechnet Crippa damit, dass in Italien der Viehbestand wegen der steigenden Haltungskosten leicht zurück gehen wird, vor allem beim Schwein. Nach Daten von Ismea werden viele Tiere verfrüht zum Schlachter geschickt, weil sich sonst die Investition nicht lohnt. Der Anstieg der Produktionskosten im Zusammenhang mit den steigenden Nachhaltigkeitsanforderungen aus Brüssel wird die italienischen Landwirte in diesem Jahr zwingen, wichtige strategische Entscheidungen zu treffen. Das Klima der Branche ist damit eher verhalten pessimistisch. Crippa glaubt zudem, dass die italienischen Konsumenten immer misstrauischer bei bestimmten Gütesiegeln und Werbeinformationen werden. Die Italiener sind besorgt über die Auswirkungen von Lebensmitteln auf ihre Gesundheit und wünschen sich zuverlässige und wissenschaftlich fundierte Informationen sowie eine vollständige Rückverfolgbarkeit bei Fleischwaren. 94,1% der Käufer möchten auf der Verpackungen Informationen über die Herkunft und Behandlung der Tiere, laut Crippa. Die Skepsis gepaart mit dem Nationalismus der Italiener bezüglich ihrer eigenen Küche erklärt auch warum sich dort Nutriscore nicht durchsetzt, anders als in Spanien. Es hat laut dem Ökonom Daniele Tirelli von der Università di Modena-Reggio damit zu tun, dass viele Premium-Produkte wie Parmesan weniger gesund wären als Coca-Cola.

Dr. Stefanie Claudia Müller ist Ökonomin und arbeitet als freie Journalistin in Madrid. Sie ist auf Wirtschaftsthemen in all ihren Facetten spezialisiert und schreibt seit vielen Jahren für Fachzeitschriften.

Anschrift der Verfasserin

Dr. Stefanie Claudia Müller, smueller@planet-bpm.com

PHOTO (COLOR): Die Verkaufsstände in der Markthalle von Florenz bieten eine große Auswahl an traditionellen Schinken und Wurstwaren. Foto: Müller Egal ob Supermarkt oder Restaurant, Italien präsentiert sich gern als Fleischland. Fotos: Müller Dr. Stefanie Claudia Müller

By Müller Stefanie Claudia

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Titel:
Fleisch kein Exportschlager mehr: Italien geht es bei seinen Produkten nicht um Masse, sondern um gute Qualität.
Autor/in / Beteiligte Person: Claudia, Müller Stefanie
Zeitschrift: Fleischwirtschaft, 2023-06-15, Heft 6, S. 56-58
Veröffentlichung: 2023
Medientyp: serialPeriodical
ISSN: 0015-363X (print)
Schlagwort:
  • MEDITERRANEAN diet
  • FACTORY farms
  • AGRICULTURAL economics
  • DAIRY products
  • AGRICULTURAL intensification
  • ORGANIC farming
  • ITALY
  • Subjects: MEDITERRANEAN diet FACTORY farms AGRICULTURAL economics DAIRY products AGRICULTURAL intensification ORGANIC farming
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Language: German
  • Document Type: Article
  • Geographic Terms: ITALY
  • Full Text Word Count: 967

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