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Demokratie stärken – auch mit Veranstaltungen: Kolumne von Prof. Dr. Markus Große Ophoff, Fachlicher Leiter und Prokurist DBU Zentrum für Umweltkommunikation der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU).

In: Tagungs-Wirtschaft, 2024-03-14, S. 5-5
Online serialPeriodical

Demokratie stärken – auch mit Veranstaltungen: Kolumne von Prof. Dr. Markus Große Ophoff, Fachlicher Leiter und Prokurist DBU Zentrum für Umweltkommunikation der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) 

Seit Wochen gehen in Deutschland viele Menschen auf die Straße und demonstrieren für Demokratie und gegen rechtsradikale Ideologien. Insgesamt waren es bereits mehrere Millionen Menschen. In Großstädten sind es oft Hundertausende, in Mittelstädten Zehntausende und in Kleinstädten Tausende von Demonstrant*innen. Sie setzen sich dafür ein, dass unsere Demokratie erhalten und gestärkt und dem Hass keine Chance gegeben wird.

Auslöser war der Bericht über ein Treffen in Potsdam, bei dem Pläne zur massiven Abschiebung von Menschen mit Migrationshintergrund Thema waren. Verkleidet wird dies in das Wort „Remigration", dass auch gleich zum Unwort des Jahres erklärt wurde. Dieser Bericht war aber sicherlich nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Seit einigen Jahren ist eine Verrohung der Diskussionen zu beobachten: Bürgermeister*innen müssen teils unter Polizeischutz gestellt werden, Politiker*innen werden bis zu ihrer Privatwohnung verfolgt oder am Urlaubsort beschimpft. Wissenschaftler*innen, Prominente und Künstler*innen ziehen sich aus den sozialen Medien zurück, da sie die Beschimpfungen und teils sogar Morddrohungen nicht mehr ertragen wollen.

Eine breite gesellschaftliche Bewegung

Immer mehr Menschen ist diese Entwicklung nicht gleichgültig. Entstanden ist so eine breite gesellschaftliche Bewegung für die Demokratie über Parteigrenzen hinweg. Auf der Demonstration in Osnabrück mit 25.000 bis 30.000 Menschen redeten neben vielen Betroffenen mit Migrationshintergrund und lokalen Akteuren beispielsweise die CDU-Oberbürgermeisterin der Stadt Osnabrück ebenso wie die grüne Landrätin und der frühere SPD-Oberbürgermeister und jetzige Verteidigungsminister Boris Pistorius.

Demokratie ist der Wettbewerb um den besten Lösungsansatz. Dieser Wettbewerb findet im öffentlichen Diskurs statt. Grundlage dafür ist ein friedliches und gewaltfreies Miteinander auf der Basis unseres Grundgesetzes. Die Demokratie bietet den Schutz von Minderheiten, die Beteiligung aller Bürger*innen am politischen Prozess. Und sie ist das System, das am besten geeignet ist, um sich an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen, da mit jedem Wechsel der Regierungen neue Impulse kommen.

Aber die Geschichte lehrt uns, dass die Demokratie auch labil sein kann. Nur zwei Monate, nachdem Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde, war die Demokratie abgeschafft, obwohl die NSDAP keine Mehrheit im Reichstag hatte. In Ungarn und der Türkei können wir aktuell miterleben, wie Demokratien in relativ kurzer Zeit in Präsidialsysteme umgewandelt wurden, die die Gewaltenteilung, die Pressefreiheit und die Rechte der Opposition und von Minderheiten erheblich einschränken. Die Gefahren für die Demokratie sind also nicht unbegründet und der Einsatz für die Demokratie lohnt sich.

Demokratie braucht Diskurs und Engagement

Wie oben beschrieben, braucht Demokratie den Diskurs. Besonders wichtig ist das direkte Gespräch. Veranstaltungen spielen dabei eine große Rolle. Lassen Sie uns gute, moderierte Diskurse zu den drängenden Themen unserer Zeit organisieren, in denen Menschen ins Gespräch kommen und der demokratische Diskurs um den besten Lösungsansatz geführt wird. Wir brauchen dafür Freiheit ebenso wie Toleranz und Gemeinsinn. Wie im Sport gehört auch zur Demokratie, dass man das Ergebnis akzeptiert, selbst wenn es knapp war, und sich danach wieder die Hand gibt.

Wir sollten wieder lernen, wann Freiheit zu Egoismus wird. In der Demokratie ist es wichtig, dass jede und jeder seine Meinung im Rahmen des Grundgesetzes äußern darf. Es ist aber gerade auch das Merkmal der Demokratie, dass dieser Meinung in aller Regel auch widersprochen wird. Im direkten Gespräch lassen sich diese Ziele deutlich besser erreichen als in der deutlich anonymeren Form der sozialen Medien. Die Veranstaltungswirtschaft kann daher einen erheblichen Beitrag zur Stärkung der Demokratie leisten, wenn sie solche Diskurse organisiert.

Darüber hinaus braucht es das Engagement von uns allen, von jedem und jeder Einzelnen. Bringen Sie sich ein, wo es für Sie passend ist. Das kann durch Engagement in den kommunalen Strukturen von der Schulelternschaft bis zum Stadtrat sein. Sie können in den demokratischen Parteien ebenso aktiv werden wie in Verbänden oder Vereinen. Engagieren Sie sich in der Handwerkskammer, in Umweltverbänden oder im Sportverein. Oder gehen Sie einfach nur raus und reden mit den Menschen.

Doch warum ist eine Situation entstanden, in der wir uns für Demokratie einsetzen müssen? Dies hat der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler in seiner Festrede mit dem Titel „Die große Transformation in Zeiten des Unbehagens" aus Anlass des 25-jährigen Bestehens der Deutschen Bundesstiftung Umwelt besser erklärt, als ich es selbst kann.

Horst Köhler war von 2004 bis 2010 deutscher Bundespräsident. Als Mitglied des von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon berufenen „High Level Panel of Eminent Persons on the Post-2015 Development Agenda" war er wesentlich an der Erarbeitung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen beteiligt. In seiner Festrede sagt er: „Vielleicht fällt es uns so schwer, die Zukunft zu gestalten, weil wir unsere Gegenwart so schlecht verstehen. Und wir leben ja in einer seltsamen Zeit. Ausgerechnet jetzt, wo deutlich wird, dass unsere Probleme erstens komplex und zweitens global sind, scheinen jene Kräfte Oberhand zu gewinnen, deren Antworten erstens simpel und zweitens national sind."

Eine Zeit großer Veränderungen

Wir stehen also vor einer Zeit großer Veränderungen. Wo wir früher oft Arbeitslosigkeit fürchteten, ist nun der Fachkräftebedarf eine Herausforderung. Der Klimawandel und die Umweltprobleme erfordern einen nachhaltigen Umbau unseres Wirtschaftssystems. Eroberungskriege, die in Europa lange nicht mehr vorstellbar waren, gefährden die Freiheit ganzer Völker. Unter solchen Rahmenbedingungen kann nicht alles so bleiben wie es war. Veränderung ist notwendig, um unser Leben in Würde und Wohlstand zu erhalten.

Doch woher kommt es, dass viele in der Gesellschaft so viel Angst vor Veränderungen haben? Im Privaten sind es doch gerade Veränderungen, über die wir uns freuen: Mode würde ohne Veränderungen nicht funktionieren. Wir freuen uns auf das neue Urlaubsziel und die Begegnung mit anderen Kulturen. Oder wir freuen uns auf eine neue Wohnung. Es ist doch viel besser, die Zukunft aktiv zu gestalten, anstatt im Bestehenden zu verweilen. Auch hier kann die Veranstaltungsbranche vielfältige Impulse liefern. Lassen Sie uns Lust auf eine gemeinsame, hoffnungsvolle Zukunft machen und so die Angst vor Veränderung überwinden.

Zum Abschluss dieses Beitrags nochmals ein Zitat aus der Rede von Horst Köhler. Sein Schlusswort lautete: „Lassen Sie sich jetzt nicht kirre machen, lassen Sie sich die Relevanz der Aufgabe nicht kleinreden, sagen Sie mit Mut und auch mit Stolz, dass Sie nicht trotz, sondern gerade wegen all der Krisen an dieser Transformation arbeiten. Denn die große Transformation ist ja nicht die Ursache, sondern die Antwort auf das Unbehagen vieler Menschen. Wagen Sie es aber auch, sich dort infrage zu stellen, wo es zu gemütlich geworden ist, gehen Sie raus aus den Silos Ihrer Fachlichkeiten und Communities, gehen Sie auf jene zu, die eine andere Perspektive auf die Welt haben, reden Sie auch mit jenen, die mit Ihnen nichts anfangen können, und mit jenen, die Angst vor Veränderungen haben. Hören Sie ihnen zu. Und dann: Erzählen Sie ihnen eine Hoffnungsgeschichte."

„Demokratie ist der Wettbewerb um den besten Lösungsansatz. Dieser Wettbewerb findet im öffentlichen Diskurs statt." Prof. Dr. Markus Große Ophoff, Fachlicher Leiter und Prokurist am Zentrum für Umweltkommunikation der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU)

„Die große Transformation ist nicht die Ursache, sondern die Antwort auf das Unbehagen vieler Menschen." Horst Köhler, deutscher Bundespräsident von 2004 bis 2010

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PHOTO (COLOR): Prof. Dr. Markus Große Ophoff ist Fachlicher Leiter DBU Zentrum für Umweltkommunikation und Kolumnist der tw tagungswirtschaft. Foto: DBU-Archiv "Lassen Sie uns gute, moderierte Diskurse zu den drängenden Themen unserer Zeit organisieren, in denen Menschen ins Gespräch kommen und der demokratische Diskurs um den besten Lösungsansatz geführt wird." Prof. Dr. Markus Große Ophoff Foto: DBU Archiv „Die große Transformation in Zeiten des Unbehagens" Zum 25-jährigen Bestehen der Deutschen Bundesstiftung Umwelt 2016 hält der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler die Festrede „Die große Transformation in Zeiten des Unbehagens". Hier geht es zur Rede: https://youtu.be/892cESQYrFw?si=VjMOaZppIIMqUCEF&t=3746 Photo: bvik

1 Wer ist Markus Große Ophoff?

Markus Große Ophoff (* 1961 in Gladbeck) ist ein deutscher Chemiker. Er ist Honorarprofessor für Veranstaltungsmanagement und Nachhaltigkeitskommunikation an der Hochschule Osnabrück. Seit 2001 leitet er das Zentrum für Umweltkommunikation der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU)

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Titel:
Demokratie stärken – auch mit Veranstaltungen: Kolumne von Prof. Dr. Markus Große Ophoff, Fachlicher Leiter und Prokurist DBU Zentrum für Umweltkommunikation der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU).
Zeitschrift: Tagungs-Wirtschaft, 2024-03-14, S. 5-5
Veröffentlichung: 2024
Medientyp: serialPeriodical
ISSN: 0342-7951 (print)
Schlagwort:
  • DEMOCRACY
  • DISCOURSE
  • IDEOLOGY
  • GERMANY
  • Subjects: DEMOCRACY DISCOURSE IDEOLOGY
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Language: German
  • Document Type: Proceeding
  • Geographic Terms: GERMANY
  • Full Text Word Count: 1293

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